Unser Fachbeirat Nachhaltigkeit
„Wir haben keine Zeit mehr für Diskussionen!“
Unser Experte für biologische Landwirtschaft

Bernward
Geier

„Die großen ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit bestehen vor allem wegen des Massenmarktes von überwiegend konventionellen Produkten. Deshalb setzen wir mit dem PRO PLANET-Label auch genau hier an“, sagt Bernward Geier, Experte für biologische Landwirtschaft im Fachbeirat Nachhaltigkeit.

Interview
Sie sind seit über 40 Jahren in der Landwirtschafts- und Umweltpolitik aktiv – was hat sich getan, wo stehen wir heute?

Da bin ich wirklich gespalten! Einerseits hat sich insbesondere die Bio-Bewegung zu einer vor 40 Jahren nicht vorstellbaren Erfolgsstory entwickelt. So lange bin ich schon dabei, ursprünglich ja selbst als Biolandwirt. Weltweit zeigen heute Millionen von Bauern, dass nachhaltige Landwirtschaft überall funktioniert. Zertifizierte Bioprodukte haben weltweit einen Umsatz von jährlich 100 Milliarden Euro.

Andererseits hat sich parallel dazu die konventionelle Landwirtschaft so rasant entwickelt, dass wir an allen Ecken und Enden mit den Folgen zu kämpfen haben: Pestizide vergiften die Natur, die Artenvielfalt ist im Sinkflug, der Klimawandel wird immer bedrohlicher. Wir müssen uns also gewaltig sputen mit einem Wandel im Wirtschaften! Deshalb ist es auch so wichtig, dass Produkte im Massenmarkt nachhaltiger werden und nicht nur in der Nische.

Viel hilft viel, auch bei der Nachhaltigkeit?

Es war beim PRO PLANET-Label ja von Anfang an der Anspruch, Nachhaltigkeit im Massenmarkt, also „für alle“, umzusetzen. Das war vor zehn Jahren, als wir vom Fachbeirat zusammen mit der REWE Group damit anfingen, eine ambitionierte Idee. Dafür stehen wir nach wie vor: Wenn wir für viele Menschen Produkte nachhaltiger gestalten, dann bringt das mehr „Impact“ für einen Wandel, als wenn wir super-nachhaltige Produkte für eine Gruppe von Menschen machen, die wir ohnehin nicht mehr überzeugen müssen. Ich finde, dass wir mit dem PRO PLANET-Label bemerkenswerte Erfolge erzielt haben.

Erklären Sie einmal griffig, was Nachhaltigkeit überhaupt ist.

Nachhaltigkeit soll man leben und nicht erklären! Aber es ist ganz einfach, keine Angst: Man muss sein eigenes Verhalten nur dahingehend beleuchten und daran bemessen, ob es „enkeltauglich“ ist. Nachhaltig ist ein Verhalten, das zukünftige Generationen nicht ausbaden müssen.

Bernward Geier

„Unser Ziel ist eine viel höhere Präsenz im Supermarkt: In rund fünf Jahren – also 2025 – wird ein Viertel der Eigenmarkenprodukte von REWE und PENNY das PRO PLANET-Label tragen.“

Was tut PRO PLANET, um „enkeltauglich“ zu sein?

Wir haben ja jetzt den Prozess der Labelvergabe neu aufgesetzt, damit wir in kürzerer Zeit mehr Produkte überprüfen und freigeben können. Unser Ziel ist eine viel höhere Präsenz im Supermarkt: In rund fünf Jahren – also 2025 – wird ein Viertel der Eigenmarkenprodukte von REWE und PENNY das PRO PLANET-Label tragen. Die Kund:innen werden die stärkere Fokussierung auf nachhaltigere Produkte deutlich wahrnehmen können.

Wollen die Kund:innen das denn auch? Schätzen sie nachhaltigere Produkte wirklich? Und sind nachhaltige Produkte schon raus aus der Nische?

Wir stellen schon länger ein breiteres Interesse an Nachhaltigkeitsthemen in der Bevölkerung fest, und das beschleunigt sich. Das liegt an stark diskutierten Themen wie dem Klimawandel und Bewegungen wie „Fridays for Future“. Aber ein Umdenken ist noch lange kein Umschwenken, den Gedanken müssen eben auch Taten folgen. Ich bin mir aber fast sicher, dass da eine markante Beschleunigung kommen wird.

Welches PRO PLANET-Produkt mögen Sie besonders? Und warum genau?

Sehr lange schon und mit Erfolg läuft ja unser Apfelprojekt, das wir zusammen mit dem NABU aufgesetzt haben: Da wird auf den Apfelplantagen ganz viel für Biodiversität getan, mit integrierten Blühstreifen zum Beispiel. Wirklich gut finde ich auch die Strategie zur Plastikmüllvermeidung, die von der REWE Group konsequent vorangetrieben wird. REWE hat zuerst die Plastiktüten abgeschafft!

Und jetzt kommt noch das Stichwort „Bio“: Wie geht das mit PRO PLANET zusammen?

Nun kommt zusammen, was zusammengehört: „Bio“-Produkte können auch das PRO PLANET-Label erhalten. Bislang war „Bio“ vom PRO PLANET- Projekt ausgenommen, weil das Label den Massenmarkt im Visier hat, wozu Bio noch nicht zählt – auch wenn es auf dem Weg dahin ist. Das PRO PLANET-Label soll den Verbrauchern eine verlässliche Orientierungshilfe sein, welche Produkte nachhaltiger sind. „Bio“ ist ja führend in Richtung Nachhaltigkeit unterwegs und wird deshalb das PRO PLANET-Label qualitativ bereichern. Angesichts des großen Biosortiments bei REWE erhöhen wir auch die Sichtbarkeit des Labels im Markt signifikant. Aber auch hier wird es keinen Automatismus geben, sondern der Beirat wird auch bei Bioprodukten genau hinschauen und prüfen, ob es mit PRO PLANET zusammenpasst.

Kurzvita

Bernward Geier ist seit vier Jahrzehnten Netzwerker und Aktivist im Bereich der ökologischen Agrar- und Esskultur sowie Nachhaltigkeit. Der Publizist war nach dem Studium Mitpächter und Teilhaber eines biologischen Milchviehbetriebes, zugleich 18 Jahre lang Direktor der IFOAM (International Federation of Organic Agriculture Movements), dem weltweiten Dachverband der biologischen Landbaubewegungen. Heute betreibt er mit seiner Frau Birgit einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb mit Schwerpunkt Pferdezucht (Isländer).

Mehr Interviews
Friedel Hütz-Adams
Stefanie Pöpken
Kristian Klöckner
1/4
Friedel Hütz-Adams
Stefanie Pöpken
Kristian Klöckner